Bei Streitigkeiten mit einer Pensionsversicherung aG ist eine Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ist nicht gegeben.
Es handelt sich nicht um eine Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG. Die Pensionsversicherung war und ist nicht Arbeitgeberin des Arbeitnehmers. Die Pensionsversicherung ist auch nicht Rechtsnachfolgerin im Sinne des § 3 ArbGG.
Gemäß § 3 ArbGG besteht die in § 2 ArbGG begründete Zuständigkeit auch in den Fällen, in denen der Rechtsstreit durch einen Rechtsnachfolger oder durch eine Person geführt wird, die kraft Gesetzes anstelle des sachlich Berechtigten oder Verpflichteten hierzu befugt ist. Der Begriff des Rechtsnachfolgers ist nicht streng wörtlich, sondern in einem weiten Sinne zu verstehen. Es ist nicht erforderlich, dass der Rechtsnachfolger an die Stelle des ursprünglichen Schuldners getreten ist. Vielmehr genügt die Erhebung oder Abwehr einer Forderung anstelle des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers, unabhängig davon, ob der jeweilige Arbeitgeber oder Arbeitnehmer unter denselben tatsächlichen Voraussetzungen die Leistung fordern könnte oder sie schulden oder für sie haften müsste. Deshalb werden unter den Begriff der Rechtsnachfolge iSd. § 3 ArbGG auch die Haftung für arbeitsrechtliche Ansprüche aus eigenständigen Rechtsgründen wie § 826 BGB (vgl. die Durchgriffshaftung im Konzern), die Bürgschaft, das Handeln des Vertreters ohne Vertretungsmacht (§ 179 BGB), die Firmenfortführung (§§ 25, 28 HGB), der Schuldbeitritt und die Haftung des Insolvenzverwalters nach § 61 InsO subsumiert.
Eine solche Lage ist hier nicht gegeben. Die Pensionsversicherung wehrt den von dem Arbeitnehmer erhobenen Anspruch nicht anstelle der früheren Arbeitgeberin ab. Die Ansprüche des Arbeitnehmers auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung richteten sich von vornherein gegen die Pensionsversicherung. Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall von der Konstellation, die dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. Juli 2011 zugrunde lag: In jenem Fall sollte die in Anspruch genommene Versorgungskasse gegen den Arbeitgeber begründete vertragliche Versorgungsansprüche erfüllen. Im Streitfall macht der Arbeitnehmer dagegen allein Ansprüche aus dem zwischen ihm und der Pensionsversicherung begründeten Versicherungsverhältnis geltend.
Die Pensionsversicherung ist keine “Sozialeinrichtung des privaten Rechts” iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b ArbGG.
Eine Sozialeinrichtung iSv. § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b ArbGG liegt vor, wenn eine soziale Leistung des Arbeitgebers nach allgemeinen Richtlinien aus einer abgesonderten, besonders zu verwaltenden Vermögensmasse erfolgt. Der Terminus Sozialeinrichtung ist eine bedeutungsgleiche zeitgemäßere Bezeichnung für die in § 56 BetrVG 1952 bzw. § 2 Abs. 4 ArbGG 1953 genannte “Wohlfahrtseinrichtung”. Ebenso wie eine solche Einrichtung dient sie der Verbesserung der sozialen Lebensbedingungen der Arbeitnehmer und/oder ihrer Hinterbliebenen. Ziel des Arbeitsgerichtsgesetzes ist es, alle bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten, die in greifbarer Beziehung zu Arbeitsverhältnissen stehen, auch prozessual im Rahmen der Arbeitssachen zu erfassen. Der Begriff der “Sozialeinrichtung” iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b ArbGG entspricht im Wesentlichen dem in § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG verwendeten Begriff. Allerdings ist nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG der Wirkungsbereich einer Sozialeinrichtung ausdrücklich auf “den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt”. Ob diese, auf betriebsverfassungsrechtlichen Überlegungen beruhende Beschränkung auf Betrieb, Unternehmen oder Konzern in vollem Umfang auf § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b ArbGG übertragbar ist oder ob mit Rücksicht auf den Normzweck Einrichtungen einzubeziehen sind, die eine ähnliche greifbare Nähe zum Arbeitsverhältnis aufweisen wie die in § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG beschriebenen Einrichtungen, kann dahinstehen. Denn jedenfalls fehlt es im Streitfall an einer solchen besonderen Nähe.
Nach diesen Maßgaben ist die Pensionsversicherung keine “Sozialeinrichtung”.
Die Pensionsversicherung erbringt als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) Pensionszahlungen im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung. Die Leistungen der Pensionsversicherung bezwecken zwar die Verbesserung der sozialen Lebensbedingungen von Arbeitnehmern und ihren Hinterbliebenen. Allerdings dienen sie diesem Anliegen nicht allein gegenüber den Arbeitnehmern der früheren Arbeitgeberin des Arbeitnehmers oder der mit dieser Arbeitgeberin im Konzern verbundenen Unternehmen. Vielmehr sind auch andere Arbeitnehmer und Arbeitgeber der genossenschaftlichen und agrarischen Wirtschaft Mitglieder der Pensionsversicherung. Die Pensionsversicherung ist demnach keine von der früheren Arbeitgeberin des Arbeitnehmers oder von mit ihr im Konzernverbund stehenden Unternehmen zum Zweck der Altersversorgung abgesonderte Vermögensmasse. Es handelt sich nicht um ein von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestelltes Sondervermögen. Die Arbeitgeberin hat vielmehr – ebenso wie die betreffenden Arbeitnehmer – als Mitglied der Pensionsversicherung Beiträge an diese gezahlt. Dadurch und durch eigene Beiträge baute der Arbeitnehmer Altersversorgungsansprüche gegen die – auch für konzernfremde Arbeitgeber und Arbeitnehmer offenstehende – Pensionsversicherung auf. Die Leistungsfähigkeit der Pensionsversicherung speist sich nicht nur aus Beiträgen der früheren Arbeitgeberin und dem Konzern, zu dem diese gehört, sondern auch aus den Zahlungen vieler weiterer Unternehmen und ihrer Arbeitnehmer, die in keiner besonderen Nähe zur Arbeitgeberin des Arbeitnehmers stehen, sondern allenfalls in einem historisch begründeten Zusammenhang mit der sozialen Sicherung der ländlichen Bevölkerung. Die Pensionsversicherung steht damit – anders als eine Sozialeinrichtung – außerhalb der besonderen “greifbaren” Beziehung zu den einzelnen Arbeitsverhältnissen, wenn auch das Versicherungsvertragsverhältnis sein Entstehen – rein tatsächlich – einem Arbeitsverhältnis verdankt. Die Funktion der Pensionsversicherung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung ist eher mit einer Direktversicherung vergleichbar, die ebenfalls keine Sozialeinrichtung ist. Vielmehr ist für Streitigkeiten des versicherten Arbeitnehmers gegen die Direktversicherung der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben. Dies übersieht im Übrigen die Entscheidung des Kammergerichts Berlin vom 22.06.2001, die mit der Begründung, das Versicherungsverhältnis des Arbeitnehmers zu einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit wurzele letztlich im Arbeitsverhältnis, die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ohne Weiteres bejaht.
Auch der Umstand, dass nunmehr die frühere Arbeitgeberin des Arbeitnehmers durch Funktionsausgliederung (“Outsourcing”) Arbeitgeberin der für die Pensionsversicherung tätigen Arbeitnehmer geworden ist, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Dieser Umstand ist Ausdruck der unternehmensrechtlichen Verflechtung der früheren Arbeitgeberin mit der Pensionsversicherung, ändert aber nichts an der rechtlichen Stellung der Pensionsversicherung zum Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer rückt durch die Funktionsausgliederung, was sein früheres Arbeitsverhältnis betrifft und auch, was seine Stellung als Versicherungsnehmer der Pensionsversicherung betrifft, nicht in eine andere, etwa nähere Beziehung zur Pensionsversicherung. Der Charakter der Ansprüche, die von dem Arbeitnehmer geltend gemacht werden, hat sich durch die Funktionsausgliederung nicht geändert.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 5. Dezember 2013 – 10 AZB 25/13
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